Der Ursprung des "langsamen" Sonnenwinds: ein gelöstes Rätsel!

Veröffentlicht von Adrien,
Quelle: Observatoire de Paris
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Wie entsteht der Sonnenwind? Trotz Jahrzehnten der Beobachtung und Modellierung sind die Ursachen dieses Phänomens, das seinen Ursprung an der Oberfläche der Sonne hat, und die Mechanismen, die es ins All freisetzen, nicht gut verstanden. Mit Hilfe von Daten der ESA-Sonde Solar Orbiter vermutet ein internationales Team, darunter ein Astronom des Pariser Observatoriums - PSL, eine Spur, die am 28. Mai 2024 in der Zeitschrift Nature Astronomy (Yardley et al) erscheint.

Ein internationales wissenschaftliches Team (Großbritannien, Spanien, USA, Italien, Irland, Frankreich, Niederlande, Schweiz, Deutschland) hat die Korona und den Sonnenwind auf der Grundlage der von der Sonde Solar Orbiter nach ihrem ersten Vorbeiflug an der Sonne im März 2022 gesendeten Daten analysiert.


Hier zeigt das zusammengesetzte Bild die in extremem Ultraviolettlicht beobachtete Sonnenkorona, aufgenommen von drei Solar-Orbiter-Instrumenten. Das erste Instrument beobachtet die gesamte Sonne. Die beiden anderen (kleine überlagerte Bilder) haben ein kleineres Sichtfeld, das eine höhere räumliche Auflösung und detaillierte Daten des Emissionsspektrums der Atome ermöglicht.
© ESA & NASA/Solar Orbiter/EUI & SPICE/S. Yardley

Durch die Kombination von Sonnenbildern und in situ gemessenen Daten konnte das internationale Team den Ursprung des langsamen Sonnenwinds klarer identifizieren.

Was ist der Sonnenwind? Der Sonnenwind ist der kontinuierliche Strom geladener Teilchen (bildend ein Plasma) von der Sonne. Er entsteht in einer Schicht der Sonnenatmosphäre namens Sonnenkorona. Dieses Plasma füllt die gesamte Heliosphäre bis zu Entfernungen von 100-mal der Entfernung Erde-Sonne. In der Nähe der Erde bewegt es sich typischerweise zwischen 300 und 800 Kilometern pro Sekunde. Unter 500 km pro Sekunde wird der Wind als "langsam" bezeichnet.

Erklärung in Bildern


Die Forscher analysierten Gesamtaufnahmen der sehr heißen Sonnenkorona (einige Millionen Grad), die im extremen Ultraviolett gemacht wurden. Die hellsten Bereiche sind die am stärksten erhitzten, sie werden "aktive Regionen" genannt. Die dunkelsten Bereiche der Sonnenkorona sind als "Koronal-Löcher" bekannt; sie sind die Quellen des schnellen Sonnenwinds.


Abbildung 1
(a) Bild der Sonnenkorona mit den Sichtfeldern (cyan und rosa Quadrate) der detaillierten Beobachtungen der vermuteten Quellregion des langsamen Winds. Berechnete Magnetfeldlinien sind überlagert.
(b) Bild mit hoher räumlicher Auflösung. Die identifizierten Quellen des langsamen Sonnenwinds sind durch dunkelgraue Pfeile markiert.
(c) Beobachtungen des photosphärischen Magnetfeldes. Schwarz (weiß) steht für das in die Sonne (aus der Sonne) gerichtete Magnetfeld.
© ESA & NASA/Solar Orbiter/EUI & SPICE/S. Yardley

Die Nahaufnahmen der Satelliten (wie die Abbildung 1b) zeigen am Fuße der Korona helle Regionen, die durch dunkelgraue Pfeile markiert sind. Dort beobachteten die Forscher aufsteigende Plasmabewegungen (Abbildung 1c) und identifizierten diese aktiven Zonen als die Quelle des langsamen Sonnenwinds.

Basierend auf diesen Beobachtungen modellierten die Wissenschaftler mittels Berechnungen die Magnetfeldlinien, die daraus hervorgehen. Dargestellt in Farbe (Abbildung 1a) erstrecken sich die Linien nach außen, weit weg von der Sonne; sie sind offen.

Ihre Berechnungen lieferten somit eine theoretische Vorhersage der Verbindung zwischen der "Quellregion" der Korona und den in situ gemessenen Daten des Sonnenwinds.

Eine durch in situ Messungen bestätigte Vorhersage


Da die chemische Zusammensetzung des Sonnenwinds auf seinem Weg unverändert bleibt, kann sie als Marker verwendet werden, um den spezifischen Ursprung eines Teils des Sonnenwinds zu bestimmen. In situ wurden daher Kompositionsmessungen wie das Verhältnis von Eisen zu Sauerstoff durchgeführt.

Die Ergebnisse der spektralen Analyse zeigten, dass das Verhältnis von Eisen zu Sauerstoff innerhalb der Koronal-Löcher und der aktiven Regionen unterschiedlich ist, was den in situ Messungen in den verbundenen Regionen des Sonnenwinds entspricht.

Auch die physikalischen Unterschiede zwischen den "Quellregionen" werden durch andere in situ Messungen wie den Ionisationsgrad (die Anzahl der von einem Atom verlorenen Elektronen) bestätigt.

Dies zeigt, dass die solare Quelle des langsamen Winds heißer ist als die des schnelleren Winds. Dies stimmt mit einem Ursprung in aktiven Regionen überein. Solche Ergebnisse tragen dazu bei, die in die Beschleunigung des Sonnenwinds involvierte Physik zu verstehen.



Welche Mechanismen sind im Spiel?


Wenn dieses Plasma durch das geschlossene Magnetfeld (eine geschlossene "magnetische Flasche") eingeschlossen ist, wie könnte es entweichen, um den langsamen Sonnenwind zu bilden?

Tatsächlich sind diese aktiven Regionen von einem offenen Magnetfeld umgeben (wie in Abbildung 1a gezeigt), wo die "magnetische Flasche" in den interplanetaren Raum geöffnet ist. Der langsame Sonnenwind kommt aus einer kleinen Region, in der sich offene und geschlossene Magnetfelder treffen. Durch einen Prozess namens "Wechselmagnetische Rekonnexion" kann etwas Plasma aus der aktiven Region entweichen und den langsamen Sonnenwind bilden.

Dies erklärt insbesondere die Unterschiede in der Zusammensetzung und dem Ionisationsgrad zwischen langsamen und schnellen Winden.

Über die Mission Solar Orbiter Im Jahr 2020 startete die Europäische Weltraumorganisation (ESA) mit Unterstützung der NASA die Mission Solar Orbiter. Dieser Satellit ist ein komplexes wissenschaftliches Labor mit zehn wissenschaftlichen Instrumenten. Diese ermöglichen eine vollständige Datenreihe, von in situ Messungen (lokal) des Sonnenwindplasmas bis zu Bildern, die mit Bildgebungsgeräten und Spektrographen aufgenommen wurden und bisher die detailreichsten und nächsten Aufnahmen der Sonne bieten. Die ESA-Solar-Orbiter-Mission ist eine internationale Zusammenarbeit, bei der Wissenschaftler und Institutionen aus der ganzen Welt zusammenarbeiten.

Referenz:
Multi-source connectivity as the driver of solar wind variability in the heliosphere,
Nature Astronomy,
Yardley S., Brooks, D., D'Amicis R., Owen C., Long D., Baker D., Démoulin, P., Owens, M.J. et al.