Größter Gletscherfluss Grönlands fließt durch kleine Erdbeben ❄️

Veröffentlicht von Adrien,
Quelle: CNRS INSU
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Ein internationales Team, an dem Wissenschaftler des CNRS Terre & Univers beteiligt waren, hat ein bisher unbekanntes Phänomen in der Dynamik von Gletscherflüssen aufgedeckt.

Entgegen der Hypothese, dass diese gigantischen Eisströme langsam und kontinuierlich fließen, entdeckten die Forscher, dass sie auch ruckartig durch Mikrobeben vorankommen. Diese Entdeckung, die mithilfe eines in eine 2.665 Meter tiefe Bohrung eingeführten Glasfaserkabels im Nordost-Gletscherfluss Grönlands gemacht wurde, könnte die Modelle zur Vorhersage des Meeresspiegelanstiegs revolutionieren.


Professor Andreas Fichtner von der ETH lässt ein Glasfaserkabel in 1.500 Metern Tiefe in das Bohrloch hinab, um 14 Stunden lang kontinuierlich Signale aus dem Inneren des Gletscherflusses aufzuzeichnen.
© Lukasz Larsson Warzecha / LWimages

Die Gletscherflüsse Grönlands und der Antarktis spielen eine Schlüsselrolle beim Transport von Eis von den polaren Eiskappen in den Ozean. Ihre Fließgeschwindigkeit beeinflusst direkt den Anstieg des Meeresspiegels, was ihr Verständnis entscheidend für die Vorhersage der Auswirkungen der globalen Erwärmung macht. Bislang konnten numerische Modelle, die von einem langsamen, kontinuierlichen Fluss ausgehen, bestimmte Satellitenbeobachtungen nicht erklären. Die Studie zeigt, dass Gletscherflüsse nicht nur wie eine zähflüssige Flüssigkeit fließen, sondern sich auch durch einen ruckartigen Prozess verformen, ähnlich einem Knacken.

Mithilfe einer innovativen Technologie zur verteilten akustischen Messung detektierten die Wissenschaftler Mikrobeben, die sich gegenseitig auslösen und sich über mehrere hundert Meter in die Tiefe ausbreiten. Diese Mini-Eisbeben könnten die beobachteten Diskrepanzen zwischen theoretischen Modellen und der Realität erklären. Die Vorstellung, dass diese Flüsse nur wie zähflüssiger Honig fließen, ist überholt. Diese neuen Ergebnisse werden helfen, die Prognosen zum Meeresspiegelanstieg zu verfeinern, indem sie diese seismische Dynamik einbeziehen.

Seit Jahrzehnten wurden in tiefen Eisbohrkernen Risse zwischen Eiskristallen beobachtet, ohne dass es eine genaue Erklärung gab. Die Mikrobeben liefern nun endlich Aufschluss über ihre Entstehung: Sie brechen das Eis und beeinflussen seinen Fluss. Die Forscher identifizierten zudem einen überraschenden Faktor: Die Mikrobeben entstehen an vulkanischen Verunreinigungen im Eis. Diese Verunreinigungen, die durch Winde nach Grönland transportiert und als Schnee abgelagert wurden, scheinen eine Rolle bei der Entstehung der Mikrobeben zu spielen, indem sie die Eisstruktur schwächen.

Hochmoderne Technologie: Eine 2.665 Meter tiefe Bohrung ins Eis


Diese Entdeckung wurde durch die Installation eines Glasfaserkabels in einer Bohrung im Nordost-Gletscherfluss Grönlands möglich, der 12 % des Eisschildes entwässert. Mit hochempfindlichen seismischen Sensoren konnten die Forscher diese Signale bis in 1.500 Meter Tiefe über 14 Stunden aufzeichnen – und so den Weg für ein neues Zeitalter der Gletscherforschung ebnen.

Die Beobachtungen der Wissenschaftler deuten darauf hin, dass diese Mikrobeben ständig in allen Gletscherflüssen auftreten könnten und somit eine wichtige Rolle in deren Fließdynamik spielen. Um dies zu bestätigen, sind jedoch weitere seismische Messungen in anderen Bohrungen notwendig.