Koffein findet sich nicht nur in Kaffee, sondern auch in Tee, Schokolade, Energydrinks und vielen Softdrinks, was es zu einer der am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanzen weltweit macht.
In einer Ende April in der Zeitschrift
Nature Communications Biology veröffentlichten Studie bietet ein Forschungsteam der Universität Montreal neue Einblicke, wie Koffein die Schlafarchitektur verändern und die nächtliche Erholung – sowohl physisch als auch kognitiv – des Gehirns beeinflussen kann.
Genauer gesagt hat das Forschungsteam erstmals mithilfe von künstlicher Intelligenz und Elektroenzephalographie nachgewiesen, dass Koffein die Komplexität der Gehirnsignale erhöht und die „Kritikalität“ der neuronalen Aktivität während des Schlafs steigert. Interessanterweise war dieses Phänomen bei jüngeren Erwachsenen ausgeprägter.
„Kritikalität beschreibt einen Zustand des Gehirns, der sich im Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos befindet“, erklärt Professor Jerbi. „Man kann es mit einem Orchester vergleichen: Zu ruhig, passiert nichts; zu chaotisch, herrscht Kakophonie. Kritikalität ist dieser Mittelweg, bei dem die Gehirnaktivität sowohl organisiert als auch flexibel ist. In diesem Zustand funktioniert das Gehirn optimal: Es kann Informationen effizient verarbeiten, sich schnell anpassen, lernen und agil Entscheidungen treffen.“
„Koffein stimuliert das Gehirn und drängt es in einen Zustand der Kritikalität, in dem es wacher, aufmerksamer und reaktionsfähiger ist“, sagt Professorin Carrier. „Während dies tagsüber für die Konzentration nützlich ist, könnte dieser Zustand den nächtlichen Ruhezustand beeinträchtigen: Das Gehirn entspannt sich nicht richtig und erholt sich nicht ausreichend.“
Gestörte elektrische Rhythmen des Gehirns
Um zu untersuchen, wie Koffein auf das schlafende Gehirn wirkt, hat Julie Carriers Team die nächtliche Gehirnaktivität von 40 gesunden Erwachsenen mittels Elektroenzephalographie aufgezeichnet, um Nächte zu vergleichen, in denen die Teilnehmer Koffeinkapseln (drei Stunden und eine Stunde vor dem Schlafengehen) eingenommen hatten, mit solchen, in denen sie ein Placebo erhielten.
„Wir haben eine Methode der fortgeschrittenen statistischen Analyse sowie künstliche Intelligenz genutzt, um subtile Veränderungen in der neuronalen Aktivität zu erfassen“, erwähnt Philipp Thölke, Erstautor der Studie. „Die Ergebnisse zeigten, dass Koffein die Komplexität der Gehirnsignale erhöhte – was eine dynamischere und weniger vorhersehbare neuronale Aktivität widerspiegelt – insbesondere während der Non-REM-Schlafphase, einer entscheidenden Phase für die Gedächtniskonsolidierung und kognitive Erholung.“
Das Team entdeckte auch auffällige Veränderungen in den elektrischen Rhythmen des Gehirns während des Schlafs: Koffein dämpfte langsamere Schwingungen wie Theta- und Alpha-Wellen – normalerweise mit tiefem, erholsamem Schlaf verbunden – und stimulierte die Aktivität von Beta-Wellen, die häufiger im Wachzustand und bei mentaler Aktivität auftreten.
„Diese Veränderungen deuten darauf hin, dass das Gehirn unter Koffeineinfluss selbst im Schlaf in einem aktiveren, weniger erholsamen Zustand bleibt“, präzisiert
Karim Jerbi, der auch Inhaber des Canada Research Chair in Computational Neuroscience and Cognitive Neuroimaging ist. „Diese Beeinträchtigung der rhythmischen Gehirnaktivität könnte helfen zu erklären, warum Koffein die nächtliche Regeneration des Gehirns einschränkt – mit potenziellen Auswirkungen auf die Gedächtnisverarbeitung.“
Alter spielt eine Rolle: Koffeinwirkung bei jüngeren Erwachsenen stärker
Die Studie zeigte auch, dass die Auswirkungen von Koffein auf die Gehirndynamik bei jüngeren Erwachsenen – im Alter von 20 bis 27 Jahren – deutlich ausgeprägter waren als bei Teilnehmern mittleren Alters – von 41 bis 58 Jahren – insbesondere während des REM-Schlafs, der Phase, die mit Träumen verbunden ist.
Jüngere Erwachsene reagierten stärker auf Koffein, wahrscheinlich aufgrund einer höheren Dichte von Adenosinrezeptoren in ihrem Gehirn. Adenosin ist ein Molekül, das sich im Laufe des Tages im Gehirn ansammelt und ein Gefühl der Müdigkeit hervorruft.
„Adenosinrezeptoren nehmen natürlicherweise mit dem Alter ab“, erklärt Julie Carrier, „was gleichzeitig die Fähigkeit von Koffein verringert, diese zu blockieren und die Gehirnkomplexität zu steigern. Dies könnte teilweise die schwächere Koffeinwirkung bei Teilnehmern mittleren Alters erklären.“
Diese altersbedingten Unterschiede legen nahe, dass jüngere Gehirne empfindlicher auf die stimulierenden Effekte von Koffein reagieren könnten. Angesichts der weltweiten Beliebtheit von Koffein ist es entscheidend, seine komplexen neuronalen Auswirkungen über Altersgruppen hinweg zu verstehen – insbesondere wegen seines täglichen Einsatzes zur Bekämpfung von Tagesmüdigkeit.
Weitere Forschung wird nötig sein, um zu klären, wie diese neuronalen Veränderungen die kognitive Gesundheit und die tägliche Gehirnfunktion beeinflussen – möglicherweise durch personalisierte Empfehlungen zum Koffeinkonsum, schlussfolgern die Forscher.