Fast ein Jahrhundert nach der Etablierung der ersten Grundlagen der modernen Kosmologie blieb eine Frage offen: Wo versteckt sich die Hälfte der vermeintlich sichtbaren Materie des Universums? Ein neuer Durchbruch liefert nun eine klare und überraschende Antwort.
Lange Zeit als nicht vorhanden betrachtet, fehlte diese Materie seit Jahrzehnten in theoretischen Modellen. Sie verbirgt sich weder in Sternen noch in Galaxien, sondern offenbart sich heute durch schwer fassbare Signale aus den Tiefen des Universums.
Diese Signale, genannt schnelle Radioblitze (FRBs), äußern sich als Blitze von Radiowellen, die nur wenige Millisekunden dauern. Sie durchqueren den intergalaktischen Raum und werden durch alles beeinflusst, was sie auf ihrem Weg zur Erde treffen. Diese Wechselwirkung ermöglichte es Forschern, indirekt diffuse Materie zu messen.
Durch die Analyse von 69 im Universum detektierten FRBs konnten Wissenschaftler die Dichte und Verteilung dieser lange Zeit schwer fassbaren Materie abschätzen. Durch Untersuchung der Verzögerung der Radiowellen in Abhängigkeit von ihrer Frequenz konnten sie die Masse des heißen, verdünnten Gases ableiten, das sie durchquert haben.
Dieses Gas bildet das sogenannte intergalaktische Medium: ein Netz aus Materie, das auf Millionen Grad erhitzt ist, für das bloße Auge unsichtbar und selbst mit den leistungsfähigsten Instrumenten schwer zu detektieren. Dennoch soll sich hier der Großteil der baryonischen Materie des Universums konzentrieren.
Laut den Studienergebnissen befinden sich etwa 76% dieser gewöhnlichen Materie in diesem intergalaktischen Medium. Galaktische Halos, Gassphären, die Galaxien umgeben, enthalten etwa 15%. Der Rest besteht aus Sternen, Planeten und kaltem Gas, das wir direkt beobachten können.
Dieses neue Gleichgewicht erklärt die gesamte Materie, die zum Zeitpunkt des Urknalls entstanden ist - ein Ergebnis, das Astronomen seit Jahrzehnten erwartet haben. Es zeigt auch das wachsende Interesse an FRBs als Werkzeuge der kosmischen Erforschung.
Bislang bleibt der genaue Ursprung der FRBs ungewiss, obwohl einige Neutronensterne oder extreme Phänomene im Zusammenhang mit Schwarzen Löchern verdächtigen. Doch ihr Nutzen zur Erforschung der dunkelsten Regionen des Universums ist bereits bestätigt.
Es handelt sich nicht um dunkle Materie
Man darf die durch diese Studie enthüllte Materie nicht mit der viel rätselhafteren dunklen Materie verwechseln. Die kürzlich lokalisierte Materie wird als "baryonisch" bezeichnet, also aus klassischen Teilchen wie Protonen und Neutronen bestehend. Es ist diese Materie, die die sichtbaren Objekte des Universums bildet, einschließlich Sterne, Planeten und sogar unseren eigenen Körper.
Seit mehreren Jahrzehnten wussten Physiker, dass diese baryonische Materie nur einen kleinen Teil des gesamten Kosmos ausmacht: etwa 5%. Doch die Beobachtungen konnten nur die Hälfte dieses Anteils erklären. Die andere Hälfte schien unauffindbar, obwohl sie laut den Modellen des Urknalls existieren müsste.
Dunkle Materie hingegen gehört nicht zu dieser Kategorie. Sie würde mehr als ein Viertel der Zusammensetzung des Universums ausmachen, interagiert aber weder mit Licht noch mit elektromagnetischen Wellen. Von Natur aus unsichtbar, bleibt sie für die hier verwendeten Techniken unzugänglich. Schnelle Radioblitze ermöglichten nur die Untersuchung der gewöhnlichen Materie, die nun besser kartiert ist, sagen aber noch nichts über dunkle Materie aus.
Was ist ein schneller Radioblitz (FRB)?
Schnelle Radioblitze sind extrem kurze Impulse von Radiowellen mit einer Dauer von wenigen Millisekunden. Sie gehören zu den energiereichsten Phänomenen des Universums, obwohl ihr Ursprung rätselhaft bleibt.
Die meisten FRBs stammen von außerhalb der Milchstraße, was ihre Erforschung erschwert. Ihre Entdeckung hat ein neues Fenster für die Erforschung des Universums geöffnet, das Wissenschaftlern ermöglicht, sonst unzugängliche Regionen zu untersuchen.
Theorien über ihren Ursprung umfassen hochmagnetisierte Neutronensterne, Kollisionen zwischen kompakten Objekten oder sogar außerirdische Signale. Allerdings wurde keine dieser Hypothesen definitiv bestätigt.
Die Erforschung von FRBs schreitet mit empfindlicheren Instrumenten und verbesserten Analysemethoden voran. Diese Bemühungen könnten bald das Geheimnis dieser rätselhaften kosmischen Signale lüften.
Wie beeinflusst baryonische Materie das Universum?
Baryonische Materie spielt, obwohl sie nur einen kleinen Teil des Universums ausmacht, eine entscheidende Rolle bei der Bildung kosmischer Strukturen. Sie bildet Sterne, Planeten und alles, was wir sehen und berühren können.
Diese Materie interagiert mit Licht, was Astronomen ermöglicht, sie direkt zu untersuchen. Allerdings war ein Großteil davon bis vor kurzem unsichtbar, versteckt im intergalaktischen Raum als diffuses Gas.
Die Entdeckung dieser fehlenden Materie hilft, grundlegende Fragen über die Evolution des Universums zu beantworten. Sie bestätigt auch kosmologische Modelle, die die Gesamtmenge der beim Urknall produzierten baryonischen Materie vorhersagen.
Das Verständnis der Verteilung und Eigenschaften baryonischer Materie ist entscheidend, um die Geheimnisse der Galaxienbildung und der großräumigen Struktur des Universums zu entschlüsseln.