🧠 Unser Gehirn tĂ€uscht uns: es verĂ€ndert, was unsere Augen sehen

Veröffentlicht von Adrien,
Quelle: Neuron
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Im Gegensatz zu dem, was oft angenommen wird, nimmt unser Sehvermögen die Welt nicht passiv wie eine Kamera auf. Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass das, was Tiere sehen, in Wirklichkeit stÀndig durch ihre Handlungen und ihre Empfindungen umgeformt wird.

Der prĂ€frontale Kortex, eine fĂŒr die Entscheidungsfindung essentielle Hirnregion, steht im Zentrum dieses Prozesses. Eine Studie des MIT, veröffentlicht in Neuron, zeigt, dass diese Region maßgeschneiderte Signale an die fĂŒr Sehen und Bewegung zustĂ€ndigen Teile des Gehirns sendet. Diese Signale werden je nach AktivitĂ€t des Tieres, wie seinem Wachheitsgrad oder ob es sich bewegt, sofort angepasst, was eine permanente Verfeinerung der Wahrnehmung ermöglicht.


Illustrationsbild Unsplash

Die Studie untersuchte zwei spezifische Bereiche des prĂ€frontalen Kortex: den anterioren cingulĂ€ren Cortex (ACA) und den orbitofrontalen Cortex (ORB). Jeder von ihnen unterhĂ€lt bevorzugte Verbindungen zu SchlĂŒsselregionen: dem Sehbereich (VISp) und dem Bewegungsbereich (MOp). Wenn ein Tier beispielsweise wacher ist, sendet der ACA Signale, damit der visuelle Bereich mehr Details erkennt. Umgekehrt scheint der ORB wie ein Filter zu wirken, der die visuelle AktivitĂ€t reduziert, wenn die Wachheit sehr hoch wird, wahrscheinlich um eine InformationsĂŒberflutung zu vermeiden.

Um diese Verbindungen zu identifizieren, verwendeten die Forscher bildgebende Verfahren. Sie setzten MĂ€use vor wechselnde Bilder, wĂ€hrend sie diese auf einem Laufrad laufen ließen. Manchmal verĂ€nderte ein leichter Luftzug ihren Wachheitsgrad. WĂ€hrenddessen wurde die AktivitĂ€t der Neuronen in den vier untersuchten Hirnregionen aufgezeichnet, was die dort stattfindenden AustauschvorgĂ€nge offenbarte.

Die Analyse der Aufzeichnungen zeigte, dass der ACA detaillierte Informationen ĂŒber die Bilder, insbesondere Kontraste, ĂŒbertrĂ€gt und dass er sehr empfindlich auf den Wachheitsgrad reagiert. Der ORB hingegen wird nur bei sehr hohen Wachheitsgraden aktiv. Was die Bewegung betrifft, so informieren beide Bereiche den motorischen Cortex ĂŒber die Bewegungsgeschwindigkeit, aber fĂŒr das Sehen signalisieren sie lediglich, ob die Maus aktiv ist oder nicht, was auf unterschiedliche Funktionen hinweist.


Eine Abbildung aus der Arbeit zeigt die Axone der Neuronen des ACA (rot) und des ORB (grĂŒn), die den visuellen Kortex innervieren und auf bestimmte Schichten zielen.
Quelle: Sur Lab/MIT Picower Institute

Um die Rolle dieser Schaltkreise zu ĂŒberprĂŒfen, blockierten die Wissenschaftler vorĂŒbergehend die Kommunikation zwischen ACA/ORB und dem visuellen Bereich. Dieses Experiment bestĂ€tigte, dass sie das Sehvermögen gegensĂ€tzlich modulieren, je nachdem, ob sich das Tier bewegt oder je nach seinem Wachheitszustand. Das Gehirn nutzt diese Bahnen also, um je nach Situation bestimmte Informationen zu verstĂ€rken oder beiseitezulassen.

Diese Ergebnisse veranschaulichen ein wichtiges Prinzip: Der prÀfrontale Kortex sendet kein einheitliches Signal an das gesamte Gehirn. Jede Unterregion sendet spezialisierte Botschaften an bestimmte Bereiche, um deren AktivitÀt umzugestalten. Dies ermöglicht es dem Gehirn, Wahrnehmung und Handlung permanent an den Zustand des Individuums anzupassen und eröffnet neue Perspektiven zum VerstÀndnis von Funktionen wie der Aufmerksamkeit.