🧬 Multiple psychiatrische Störungen gehen tatsächlich auf dieselben genetischen Faktoren zurück

Veröffentlicht von Cédric,
Artikelautor: Cédric DEPOND
Quelle: Nature
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Unser Verständnis von psychischen Erkrankungen erlebt einen bedeutenden Wandel, getrieben durch jüngste Fortschritte in der Genetik. Statt sich nur auf die in der Praxis beobachteten Symptome zu konzentrieren, erforscht die Wissenschaft nun die biologischen Grundlagen, die mehreren Erkrankungen gemeinsam sind. Dieser Ansatz könnte die klinische Sichtweise der Psychiatrie verändern.

Eine Studie von beispiellosem Ausmaß, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature, liefert entscheidende Erkenntnisse. Durch die Analyse der Genomdaten von über einer Million Menschen mit psychiatrischen Störungen hat ein internationales Konsortium aufgedeckt, dass diese Krankheitsbilder mehr erbliche Gemeinsamkeiten aufweisen als bisher angenommen. Diese Entdeckung eröffnet Perspektiven, um Klassifikationen zu verfeinern und neue therapeutische Ansätze zu entwickeln.


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Fünf genetische Familien zeichnen das psychiatrische Landschaftsbild neu


Die Analyse ermöglichte es, 14 bedeutende Störungen anhand ihrer genetischen Ähnlichkeiten in 5 verschiedene Kategorien zusammenzufassen. Die erste Familie umfasst Krankheitsbilder mit zwanghaftem Charakter, wie Magersucht und Zwangsstörungen. Die zweite schließt sogenannte internalisierte Störungen ein, hauptsächlich Depressionen, Angststörungen und die posttraumatische Belastungsstörung. Probleme im Zusammenhang mit Substanzkonsum bilden eine dritte Kategorie.

Die neuroentwicklungsbedingten Störungen wie Autismus und ADHS stellen die vierte Gruppe dar. Schließlich teilen Schizophrenie und bipolare Störungen, traditionell als getrennt betrachtet, einen Großteil ihrer genetischen Architektur und bilden eine eigenständige fünfte Familie. Diese Gruppierungen zeigen, dass die aktuellen diagnostischen Grenzen nicht immer die zugrundeliegende biologische Realität widerspiegeln.

Gemeinsame biologische Mechanismen identifiziert


Über die Gruppierung hinaus konnte die Studie jede Familie mit spezifischen zellulären Prozessen im Gehirn in Verbindung bringen. Die Gene, die mit internalisierten Störungen assoziiert sind, scheinen beispielsweise besonders aktiv in Oligodendrozyten zu sein, Zellen, die für den Schutz neuronaler Netzwerke essenziell sind. Bei Schizophrenie und bipolaren Störungen sind hauptsächlich exzitatorische Neuronen beteiligt.

Die Forschenden kartierten zudem über hundert Regionen im Genom, in denen genetische Varianten gleichzeitig das Risiko beeinflussen, mehrere Störungen zu entwickeln. Eine dieser Regionen auf Chromosom 11 ist mit nicht weniger als acht verschiedenen Erkrankungen verknüpft. Diese genetischen "Hotspots" bieten bevorzugte Angriffspunkte für die künftige Forschung.

Diese Arbeit legt nahe, dass einige dieser gemeinsamen genetischen Faktoren sehr früh, während der fetalen Hirnentwicklung, wirken, während andere ihre Effekte später entfalten. Dieses detaillierte Verständnis der Mechanismen und ihrer zeitlichen Abfolge ist wichtig, um präventive Interventionen oder zielgerichtetere Behandlungen zu erwägen, die auf die biologischen Pfade abgestimmt sind, die von mehreren Diagnosen geteilt werden.