🦠 Der Schwarze Tod: Ein 700 Jahre alter Irrtum endlich aufgedeckt

Veröffentlicht von Adrien,
Quelle: Journal of Arabic and Islamic Studies
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Unser Verständnis der Ausbreitung des Schwarzen Todes in Asien beruht seit Jahrhunderten auf einer fehlerhaften Interpretation eines mittelalterlichen literarischen Berichts. Diese Enthüllung erschüttert die etablierten Gewissheiten über eines der tödlichsten Kapitel der Menschheitsgeschichte.

Die Forscher haben den Ursprung dieses Missverständnisses in einem arabischen Text aus dem 14. Jahrhundert identifiziert, der vom Dichter und Historiker Ibn al-Wardi verfasst wurde. Dieses Werk, eine "Maqāma", gehört zu einer literarischen Gattung, die durch Erzählungen gekennzeichnet ist, in denen reisende Charaktere mit oft fiktiven Abenteuern im Mittelpunkt stehen. Allmählich verwandelten die Leser dieses Kunstwerk in einen historischen Bericht und etablierten so eine verzerrte Sicht auf den tatsächlichen Verlauf der Epidemie über die Kontinente hinweg.


Die Annahmen über die schnelle Ausbreitung des Schwarzen Todes in Asien stammen aus einem alten arabischen literarischen Bericht, nicht aus historischen Fakten.
Illustrationsbild Pixabay

Die sogenannte "Transit-in-Rekordzeit"-Theorie suggerierte, dass das verantwortliche Bakterium in weniger als zehn Jahren 5.000 Kilometer von Zentralasien bis zu den Küsten des Schwarzen Meeres und des Mittelmeers zurückgelegt habe. Diese Hypothese, die stark von Ibn al-Wardis Bericht beeinflusst war, stellte die Pest als unerbittlichen Reisenden dar, der nacheinander China, Indien, Persien verwüstete, bevor er den Nahen Osten erreichte. Neue Analysen zeigen, dass diese dramatische Sichtweise eher einer literarischen Allegorie als der epidemiologischen Realität entspricht.

Die von Muhammed Omar und Nahyan Fancy durchgeführte Studie zeigt, wie sich diese Verwirrung über die Jahrhunderte verbreitet hat. Arabische Historiker des 15. Jahrhunderts und später ihre europäischen Kollegen verwandelten diese Fiktion allmählich in historische Wahrheit. Professor Fancy vergleicht diese Situation mit einem Spinnennetz, in dem alle Fäden der Mythen über den Schwarzen Tod auf diesen einen Text zulaufen und so eine trügerische Erzählung schaffen, die bis heute Bestand hat.

Die Tradition der Maqāmas, einer im 10. Jahrhundert erfundenen arabischen Literaturform, erfreute sich in der mamlukischen Zeit großer Beliebtheit. Diese Texte waren dafür konzipiert, in einer einzigen Sitzung vollständig gelesen zu werden und vermischten oft Realität und Fiktion. Während der Epidemie von 1348-1349 wurden mehrere Maqāmas über die Pest verfasst, die ein wertvolles Zeugnis über die psychologischen Mechanismen darstellen, die die Bevölkerung einsetzte, um dieser beispiellosen Katastrophe zu begegnen.

Diese literarischen Schriften informieren uns weniger über den tatsächlichen geografischen Verlauf der Krankheit als über die menschlichen Reaktionen auf die kollektive Angst. Sie zeigen, wie künstlerische Kreativität eine Bewältigungsstrategie angesichts des Ausmaßes der Sterblichkeit darstellen konnte, ähnlich wie bei Phänomenen, die während jüngerer Gesundheitskrisen beobachtet wurden. Diese neue Perspektive eröffnet Forschungswege zum Gedächtnis früherer Epidemien und ihrer nachhaltigen Wirkung auf die mittelalterlichen Gesellschaften.

Der Schwarze Tod: Eine demografische Katastrophe


Der Schwarze Tod stellt eine der verheerendsten Pandemien der Menschheitsgeschichte dar. Zwischen 1347 und 1351 soll er den Tod von 30 bis 50 % der europäischen Bevölkerung verursacht haben, was etwa 25 Millionen Menschen entspricht. Dieses demografische Massensterben hat die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen des Mittelalters tiefgreifend verändert.

Die Krankheit wurde durch das Bakterium Yersinia pestis verursacht, das durch Flöhe von Nagetieren, hauptsächlich Ratten, auf den Menschen übertragen wurde. Es existierten drei Hauptformen der Pest: die Beulenpest, die Septikämische Pest und die Lungenpest, wobei letztere besonders ansteckend und tödlich war. Zu den Symptomen gehörten hohes Fieber, Schüttelfrost und das Auftreten charakteristischer Beulen in Leisten und Achselhöhlen.

Die sozialen Folgen waren immens: Zusammenbruch der Agrarsysteme, Desorganisation des Handelsaustauschs und religiöse Umwälzungen. Die massive Sterblichkeit verbesserte paradoxerweise die Lebensbedingungen der Überlebenden, indem sie einen Arbeitskräftemangel schuf, der es den Bauern ermöglichte, bessere Löhne auszuhandeln.

Die Wiederauftreten der Pest prägten die europäische Mentalität über fast vier Jahrhunderte hinweg, bis zur letzten großen Epidemie in Marseille im Jahr 1720. Dieses lange Zusammenleben mit der Krankheit hat Kunst, Literatur und die kollektiven Vorstellungen vom Tod in der westlichen Kultur tiefgreifend beeinflusst.

Die Maqāmas: Juwelen der mittelalterlichen arabischen Literatur


Die Maqāmas bilden eine klassische arabische Literaturgattung, die ihren Höhepunkt zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert erlebte. Diese Werke zeichnen sich durch ihre narrative Struktur aus, die gereimte Prosa und Versdichtung mischt und sich oft auf die Abenteuer eines umherziehenden Helden mit bemerkenswerten Rednertalenten konzentriert.

Die Gattung wurde von Meistern wie Al-Hariri von Basra perfektioniert, dessen Maqāmas in allen Madrasas der muslimischen Welt studiert wurden. Jede Erzählung verbindet geschickt moralische Belehrung, sprachliche Virtuosität und Gesellschaftssatire und spiegelt die Raffinesse der mittelalterlichen arabisch-islamischen Zivilisation wider.

Die mündliche Darbietung spielte eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der Maqāmas. Berufserzähler trugen sie auf öffentlichen Plätzen vor und passten ihren Vortrag an das anwesende Publikum an. Diese lebendige Tradition trug zur Wissensvermittlung und Volksbildung in den mittelalterlichen städtischen Gesellschaften bei.

Über ihren künstlerischen Wert hinaus bieten die Maqāmas ein einzigartiges Fenster zum Alltagsleben, den moralischen Anliegen und den sozialen Spannungen ihrer Zeit. Ihre Untersuchung ermöglicht es zu verstehen, wie mittelalterliche Gesellschaften das Verhältnis zwischen Fiktion und Realität, zwischen Unterhaltung und Belehrung konzipierten.