Wie eliminiert man ein Virus, das sich innerhalb unserer eigenen Immunzellen verbirgt? Diese Frage beschäftigt Forscher seit Jahrzehnten. Das HIV, das AIDS-Virus, besitzt die Fähigkeit, sich gut versteckt und inaktiv zu halten und so Behandlungen und den Abwehrkräften des Körpers zu entgehen. Dieser Latenzzustand erschwert die Heilung, da das virale genetische Material weiterhin vorhanden ist, ohne neue Viren zu produzieren, und so verborgene Reservoirs bildet.
Ein Team des Universitätsklinikums Ulm hat kürzlich einen vielversprechenden Ansatz identifiziert, um diese schlafenden Viren zu wecken. Es entdeckte, dass ein natürliches menschliches Protein namens RBP4, das für seine Rolle beim Transport von Vitamin A bekannt ist, das latente HIV aktivieren kann. Dieses Protein wirkt wie ein natürliches Signal, um das Virus aus seinem Versteck zu locken, wodurch es für das Immunsystem wieder erkennbar wird.
Ansichten von T-Zellen mit latentem HIV, unbehandelt (oben) und mit RBP4 behandelt (unten). Bildnachweis: Dr. Chiara Pastorio / Universitätsklinikum Ulm
Um zu dieser Entdeckung zu gelangen, führten die Wissenschaftler ein sorgfältiges Screening des menschlichen Blutpeptidoms durch. Sie testeten zahlreiche kleine Proteine und Peptide, die im Blut vorhanden sind, um zu beobachten, welche das latente HIV in Zellmodellen wecken konnten. Diese Methode ermöglichte es, RBP4 als Wirkstoff zu isolieren, und dies sogar bei normalen physiologischen Konzentrationen im menschlichen Körper.
Die Wirkungsweise von RBP4 hängt von seiner Bindung an Vitamin A ab, genauer gesagt in Form von Retinol. Nur das an Retinol gebundene Protein schafft es, die Reaktivierung auszulösen, indem es einen als NF-κB bezeichneten Signalweg stimuliert. Dieser für Immunantworten und Zellteilung wichtige Weg muss aktiviert werden, um das HIV aus seiner Latenz zu holen.
Dieser Fortschritt eröffnet neue Perspektiven für die sogenannte "Schock-und-Töte"-Strategie, die darauf abzielt, schlafende Viren zu wecken, damit sie anschließend eliminiert werden können. Durch die Verwendung eines natürlichen Faktors wie RBP4 hoffen die Forscher, die Wirksamkeit dieses Ansatzes zu verbessern, mit möglicherweise geringeren Nebenwirkungen als bei synthetischen Wirkstoffen.
Veröffentlicht in der Zeitschrift Signal Transduction and Targeted Therapy, wurde diese Studie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Partnerinstitutionen unterstützt. Die Arbeiten werden nun fortgesetzt, um zu untersuchen, wie RBP4 in Therapieprotokolle integriert werden kann, was ein neuer Hoffnungsschimmer im Streben nach einer dauerhaften Heilung von HIV ist.